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Was verstehen wir unter Work Life Balance? Der Terminus Work Life Balance ist schon lange in aller Munde, ohne, dass wir genau wissen, was man darunter verstehen kann. Aufgrund der Veränderungen in unserer Lebenswelt, erfährt das Thema derzeit eine Renaissance. Viele Begriffe in diesem Zusammenhang, die alle ähnlich klingen, finden wir in den Medien, im Alltag oder in der Arbeitswelt. Was ist nun Work Life Balance, Work Leisure Balance, Work Life Domain oder Work Life Integration? Wo kommen die Begriffe her und was bedeuten sie und für unseren Alltag?

Ursprünglich fing alles mit der Begrifflichkeit Work Life Balance an, der aus dem angelsächsischem Sprachraum kam und sich in den 1980er Jahren damals entwickelt hat (1). In Amerika wurde unter Work Life Balance vielfach verstanden, dass hauptsächlich Frauen, die vermehrt voll berufstätig waren und eine Familie mit Kindern hatten, Schwierigkeiten hatten eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie realisieren zu können. Dieses war häufig damit begründet, dass viel zu wenig Ferientage bestanden und kein Verständnis bzw. Bewusstsein innerhalb der Firmen für eine Vereinbarung von beiden Lebensbereichen (der Arbeits- und Lebenswelt) für die Zielgruppe Frauen bestand. In den 1980 er Jahren traten vermehrt gut ausgebildete Frauen in den Arbeitsmarkt, die eine Karriere anstrebten, dennoch nicht auf Kinder und Familie verzichten wollten. Das damit vorherrschende traditionelle Bild, dass der Mann das Einkommen absichert und voll berufstätig ist, während sich die Frau zu Hause um die Kinder und Familie kümmert, war damit nicht mehr flächendeckend innerhalb der Gesellschaft repräsentativ und hatte teilweise ausgedient (2). Synonym wurde zu dieser Zeit, die Begrifflichkeit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit der, von Work Life Balance, gleichgesetzt und überlagert sich.
In den 1990 er Jahre kam der Begriff Work Life Balance dann langsam im deutschsprachigen Raum auf und wurde in vielen Unternehmen als ein Strategiethema Ende der 1990er Anfang 2000er diskutiert. Viele Unternehmen wussten nicht, und auch innerhalb der Gesellschaft war nicht klar, was man unter Work Life Balance verstehen sollte. Heute kaum noch wegzudenken, werben viele Firmen in Stellenanzeigen oder wird bei Vertragsabschlüssen gegenüber Bewerbern offeriert, dass sie ihren Mitarbeitenden eine gute Work Life Balance gewährleisten würden. In Rankings, die die Attraktivität als Arbeitgeber mit unterschiedlichen Kriterien bewerten, wird unter den Top Ten auch, dass der Work Life Balance genannt. Aber auch im Freizeitbereich sprechen wir oft von der Work Life Balance, die nicht gut ist, da wir unseren Freizeitbeschäftigungen nicht mehr gut nachgehen können. Auch reden wir von einer nicht guten Work Life Balance, wenn wir uns überlastet fühlen, Stress und das Gefühl haben, nicht mehr all unsere Aufgaben erledigen bzw. nachkommen zu können.
Egal welche der vielen Begrifflichkeiten als die «richtige» definiert wird, lässt sich folgendes erklären: Alle Worttermen haben den gleichen Nenner: Es geht hierbei um eine Ausgewogenheit zwischen den Anforderungen, Verpflichtungen, Rollen und Funktionen zwischen der Berufs- und Privatwelt – in der jeweiligen Lebensphase. Welcher Lebensbereich gerade dominierend in der Lebensphase ist oder gar beide, kann so mannigfaltig sein. Da jeder Mensch ein Individuum ist und auch ganz unterschiedliche Bedürfnisse, Anforderungen, Erwartungen und Werte und Lebensbedingungen hat, entsteht letztlich für jeden eine eigene differente Work Life Balance. Somit ist also die Vereinbarkeit beider Bereiche – die der Arbeit und des Privaten –von sehr vielen individuellen Aspekten abhängig und bei jedem Menschen anders.
Die Begrifflichkeit von Work Life Balance ist sehr komplex und hat viele Dimensionen. Die folgende Definition beschreibt Work Life Balance in seinen vielen Facetten:
«….. den Menschen ganzheitlich zu betrachten (als Rollen- und Funktionsträger) im beruflichen und privaten Bereich (der Lebens- und Arbeitswelt) und ihm dadurch die Möglichkeit zu geben, lebensphasenspezifisch und individuell für beide Bereiche die anfallenden Verpflichtungen und Interessen erfüllen zu können, um so dauerhaft gesund, leistungsfähig, motiviert und ausgeglichen zu sein.» (3)
Eines der wichtigsten Erkenntnisse aus dieser Definition ist, dass es eine Trennung (4) von Wohn- und Arbeitsort gibt bzw. die Aufgaben aus beiden Bereichen separiert sind. Ebenso, wie eine individuelle Vereinbarkeit der beiden Bereiche oder auch Lebenswelten angestrebt wird, um gesund, zufrieden und erfüllt zu sein. Hierbei spielen auch unterschiedliche Rollen - wie z.B. die der Mutter, des Fussballtrainers, aber auch des Abteilungsleitenden und an diese geknüpften Aufgaben, Anforderungen und Erwartungen – hinein. Eine Balance, d.h. ein Gleichgewicht, erreichen wir nur, wenn wir all unsere Verpflichtungen, Aufgaben, Erwartungen für uns in unserem Empfinden und Bewusstsein als erfüllt und stimmig ansehen. Häufig empfinden wir uns als belastet, gestresst und nicht im Gleichgewicht, wenn wir uns mental oder körperlich nicht wohlfühlen, da wir nicht mit uns im Reinen und all diesen Anforderungen sind.
Warum brauchen wir eine gute Work Life Balance?
Brauchen wir wirklich immer eine gute Work Life Balance? Für was ist die Work Life Balance wichtig? Work Life Balance, d.h. ein Gleichgewicht zwischen der privaten -und beruflichen Welt, mit all seinen Anforderungen zu haben, ist wichtig für unser Gesundheit, aber auch für unsere mentale Stärke und ein allgemeines Wohlbefinden (physisch und psychisch). Dabei geht es um das individuelle Empfinden und die Sinnhaftigkeit jedes Einzelnen. Wird ein Bereich der beiden permanen, überdominiert und hat dadurch der andere Bereich keinen Platz im Leben, so entsteht ein Ungleichgewicht. Eine Zeit lang können wir diese Dysbalance sicherlich aushalten, jedoch gerät alles in eine massive Schieflage, wenn dieses zum Dauerzustand wird. Wenn der Ausgleich fehlt, dann wird unser Alltag zur Belastung (5) und es bestehen dann nicht mehr genügend Ressourcen (6), die den Belastungen gegenüberstehen. Aus der Belastung, die in einem dieser Lebensbereiche, oder sogar gleichzeitig aus beiden besteht, entsteht eine Überforderung, die dann in Stress mündet. Dauerhafter Stress kann zu Burn-outs, Herzinfarkten, Stimmungsschwankungen bis hin zu tiefen Depressionen, Krebs, Diabetes und weiteren ernsthaften Krankheiten führen. Oft ist dies ein schleichender Prozess, der häufig ignoriert wird. Vielfach haben wir plötzlich Kopfschmerzen, Magenprobleme, Rückenschmerzen oder Schlafstörungen – die uns immer mal wieder signalisieren, dass wir nicht in Balance sind und unser Körper Alarm anzeigt. Eine dauerhafte Ignorierung dieser Signale des Körpers, führt dazu, dass wir ernsthaft krank werden. Daher gilt es immer mal wieder zu schauen, wie wir wieder in Balance kommen können, falls wir nicht in dieser sind. Eine gute Work Life Balance ist daher unerlässlich für uns, egal ob, in der Rolle der Mutter, als Manager oder Vereinsmitglied sowie in welcher Lebensphase wir uns momentan auch befinden. Nur in Balance schaffen wir es, dauerhaft zufrieden zu sein, erfüllt, leistungsfähig und ganz wichtig gesund zu bleiben.
Was kann man tun, um in Balance zu sein bzw. zu kommen?
Auch, wenn man nicht immer permanent in Balance zwischen Beruf und Privatleben sein muss und sein kann, ist es wichtig, regelmässig auf seine Balance zu schauen. Um eine gute Balance zu realisieren, gilt es folgendes zu beachten:
Ist- Analyse: Wo stehe ich gerade in meinem Leben?
Häufig verlieren wir im Alltag den Überblick über all unsere Aufgaben in unserem Leben und damit über unsere Bedürfnisse und vielleicht auch wie es uns es wirklich geht. Sich von Zeit zu Zeit mal aus dem Alltagsgeschehen herauszunehmen, Abstand von den Geschehnissen, Aktivitäten und Aufgaben zu bekommen, hilft, um sich selbst zu spüren. Sich wieder wahrzunehmen und einen Überblick zu bekommen, was gerade im Leben alles passiert, gibt uns wieder eine Basis. Damit erhalten wir, wie mit einem Kompass, der uns die Richtung aufgezeigt, wieder eine Orientierung.
Fokussierung: Was ist mir momentan und mittelfristig wichtig in meinem Leben?
Auch wenn wir mit einer Ist-Analyse uns einem Kompass bedienen, der uns eine Richtung und damit eine Orientierung aufzeigt, sollte man sich jedoch auch bewusst werden, was gerade wichtig ist für einem in diesem Moment. Wo liegen momentan oder auch in einer mittelfristigen Perspektive meine Schwerpunkte, die ich verfolge? Was ist wichtig für mich? Wo soll die Reise hingehen. Neben diesen Fragen, passiert es häufig jedoch auch so, dass viele Dinge in unserem Umfeld auf uns einwirken, die wir bewältigen und in Angriff nehmen müssen. Auch hier gilt, trotz der vorgegebenen Umstände, zu schauen, was ist mir hier wichtig, was möchte ich verfolgen und auf was muss oder möchte ich mich fokussieren.
Energie und Ressourcen: Was macht mich glücklich, wo ziehe ich Energie und Sinn für mich?
Neben dem Bewusstsein, wo stehe ich, wie geht es mir und welche Themen sind wichtig für mich, ist es für eine gute Work Life Balance bedeutsam, zu schauen, was mir Sinn und Energie gibt. Wo habe ich Ressourcen, die mir trotz Anforderungen und Aufgaben helfen, diese gut zu bewältigen. Was ist es, was mir hilft wieder in eine Entspannung und damit Balance zu kommen? Dieses kann für jeden Einzelnen ganz unterschiedlich sein, wie z.B. ein Buch lesen, der Sozialkontakt und das Treffen mit der Freundin oder Joggen gehen, sein.
Realisierung: Wie kann ich unter den derzeitigen Umständen, in denen ich lebe, eine gute Work Life Balance umsetzen?
Wenn wir uns Zeit nehmen, in uns hinein zu spüren, wie es uns geht, wissen wir, auf welche Themen und Aktivitäten wir uns im Moment fokussieren wollen, was uns gut tut – es ist wichtig auch konkret zu schauen, wie man dauerhaft eine gute Work Life Balance realisieren kann. Der blosse Vorsatz, was ändern zu wollen, ist dabei häufig nicht nachhaltig, um wirklich eine Veränderung zu bewirken. Um eine gute Work Life Balance umzusetzen, sollte man genau überlegen, welches die Themen sind und wie sich diese unter der momentanen Situation auch umsetzen lassen. Situationen neu zu bewerten, ebenso ein gutes Zeitmanagement, aber auch zu realisieren, dass z.B. eine externe Unterstützung, wichtig ist, um wieder in Balance zu geraten, sind hierbei einige Mechanismen zur Realisierung für eine dauerhafte Work Life Balance.
FAZIT
Nur mit eine guten Work Life Balance sind wir zufrieden, ausgeglichen, leistungsfähig und werden gesund sein. Daher gilt es ab und an zu schauen, wie es mit der eigenen Work Life Balance steht.

Autorin: Dr. Kerstin Helfmann, Spezialistin für Work Life Balance und Themen, wie Stress, Gesundheit und Führung.
Quellen: Text & Bild: Dr. Helfmann Consulting GmbH
Fussnoten:
(1) Vgl. Freier, K. 2005 (2) Das damalige Familien- und Frauenbild in den USA sollte differenziert betrachtet werden, da dieses in Abhängigkeit von ganz unterschiedlichen Aspekten (ethnische, geschlechtlichen und schichtspezifische Aspekte) – völlig anders sein kann. Innerhalb der amerikanischen Gesellschaft herrschte eine Orientierung der Werte an einer weissen Mittelschicht in den 1960-1980 er Jahre vor. Quelle: https://zeithistorische-forschungen.de/1-2011/4517 (3) Vgl. Freier, K. 2005, S. 21
(4) Eine Trennung zwischen Wohn- und Arbeitsort begann mit der Industrialisierung Mitte des 18. Jahrhunderts, indem nicht mehr für das Leben, Waren, Produkte und Güterauf dem Hof produziert wurden, sondern, die «Arbeitsleistung» vom Wohnort externisiert wurde. Es wurde erstmals in Fabriken und Manufakturen und Fabriken zu arbeiten. Mit der räumlichen Trennung veränderten sich dadurch erstmals in der Geschichte die Aufgaben, Verpflichtungen und Rollen innerhalb der in einer häufig bestehenden bäuerlichen Gemeinschaft – dem des «Ganzem Hauses». Vgl. Freier, K. 2005 (5) Definition Belastungen: (…Belastungen sind … „als objektive, von außen her auf den Menschen einwirkende Faktoren und Beanspruchungen als deren Auswirkungen im Menschen und auf den Menschen, definiert.“ …) Quelle: Fuchs, 2007, S. 7 nach Udris 1992 (6) Definition Ressourcen: (…."wobei mit Ressourcen jene Faktoren bezeichnet werden, die sich stressmindernd und gesundheitsförderlich auswirken. D. h. Ressourcen sind das gesamte Potential von gesundheitsschützenden und -fördernden Kompetenzen und äußeren Handlungsmöglichkeiten….“)
Quelle: Fuchs, 2007, S.8 nach Udris 1992